Auf einen Klick den Krankheitsverlauf im Blick
Wenn es nach Karin und Christin Niehenke sowie Dr. Heidi Drüge geht, läuft eMedCare nach Projektabschluss im Dezember dieses Jahres weiter. Die beiden Pflegedienstleiterinnen sowie die Allgemeinmedizinerin sehen in ihrer telemedizinischen Zusammenarbeit klare Vorteile, die letztlich ihren Patienten zu Gute kommen. Bei eMedCare setzen stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen die Telematik im akuten Krankheitsfall genauso ein wie zur Verlaufskontrolle chronischer oder langanhaltender Beschwerden. Gerade Letzteres ist bei pflegebedürftigen Patienten eine große Hilfe. Die Daten gehen via Tablet-PC automatisch an den behandelnden Arzt, der sie sich in Echtzeit oder später am PC anschauen kann. Dafür nutzt eMedCare einen sogenannten VPN-Tunnel, wie Martin Schnellhammer erklärt, in den sich die Beteiligten über spezielle SIM-Karten einwählen. VPN steht für Virtual Private Network und stellt innerhalb des Internets eine eigene geschützte Verbindung zur Verfügung. Wie hilfreich die Telemedizin ist, erläutert Karin Niehenke am Beispiel der Wundversorgung. Früher mussten die Verbände während der Hausarztvisite gewechselt werden. Heute können ihre Mitarbeitenden im Ostercappelner Pflegeheim St. Michael der Nils-Stensen-Kliniken dies während der regulären Versorgung machen. Dabei fotografieren sie jedes Mal die Wunde. Gemeinsam mit anderen Vitaldaten sendet der Tablet-PC die Fotos automatisch an die Hausarztpraxis. „So kann ich jederzeit sehen, ob eine Therapie wirkt oder ich das Behandlungsschema ändern muss“, sagt Dr. Heidi Drüge. „Wirklich klasse ist, dass die Software alle übermittelten Daten zeitlich ordnet und auch grafisch darstellt. Mit nur einem Klick kann ich den gesamten Krankheitsverlauf visualisieren.“ Auf ihre Hausbesuche verzichtet die Allgemeinmedizinerin aus Bad Essen wegen der Telemedizin nicht, sie ist nun aber viel besser darauf vorbereitet. „So habe ich mehr Zeit für die Patienten.“ Zudem kann sie bei auffällig veränderten Werten, wie zum Beispiels Gewichtszunahme durch Wasseransammlung, umgehend eine Anpassung der Therapie veranlassen.
Doch wie bei jedem Pilotprojekt gibt es auch bei eMedCare Verbesserungsbedarf. Um diesen festzustellen, treffen sich die Projektbeteiligten alle zwei Monate zum Erfahrungsaustausch. Dabei hat Christin Niehenke, die den ambulanten Pflegedienst St. Martin der Caritas in Belm leitet, schon die Erweiterung des Tablet-PC um manuelle Dateneingabe angeregt. Zudem finden ihre Mitarbeitenden den Telerucksack für den ambulanten Dienst zu schwer. Manche Anregungen können sofort umgesetzt werden, andere brauchen länger. Aktuell arbeitet der Technik-Partner Health Insight Solution aus München an einem elektronischen Medikamentenplan, wie Michael Schnellhammer berichtet. „Wir haben zur Projekthalbzeit festgestellt, dass die Medikationspläne ständig auseinanderlaufen.“ Ein Problem, das auch Christin Niehenke im Pflegealltag immer wieder beschäftigt. Bei der Frage, wo der Plan am besten zentral abgelegt werden könnte, kamen die Projektbeteiligten schnell auf die Apotheke vor Ort. Aus Apothekensicht wird diese Zusammenarbeit sehr begrüßt: „Sowohl der Arzt als auch der Apotheker sollten zukünftig auf die Medikamentenpläne zugreifen können, um gefährliche Wechselwirkungen auch bei selbst gekauften Arzneien zu verhindern“, sagt Berend Groeneveld, Vorstandsvorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen e.V. (LAV) und Inhaber der Rats-Apotheke in Norden. Auch die Apothekerschaft sei bereits mit der Entwicklung entsprechender Apps beschäftigt. „Bei den technischen Lösungen ist es uns sehr wichtig, dass über den europäischen Datenschutz hinaus auch unsere besonderen beruflichen Richtlinien Berücksichtigung finden und der Patient jederzeit Herr seiner Daten bleibt“, betont Berend Groeneveld.
Zweifellos ist die Datensicherheit eine große Herausforderung. Für die Beteiligten der niedersächsischen Telemedizin-Projekte überwiegt jedoch klar der Nutzen. Und in einem sind sie sich einig: Die Technik kann weder Arzt, Gesundheitsfachkraft oder Apotheker ersetzen. Deren Expertise bleibt weiterhin die Basis der medizinischen Versorgung.
Autorin: A. Rehder